Am Puls des Lebens

Am Puls des Lebens

Es sind wohl 36 Jahre, die verstrichen sind.
Doch mit diesem Foto ich vieles noch immer verbind.
Damals hatte ich den Quellenschutz als vordringlich gewählt.
Diese Quelle bei Unna zu einem der Trittsteine zählt,
über die ich mich eng an diesen Lebensraum band -
und erste Tiere und Pflanzen im sprudelnden Wasser fand.
Eine Artenliste von damals ist aus den Archiven verschwunden.
Ich sollte danach viele Hunderte Quellen noch erkunden.
Einige haben sich in die vorderste Reihe der Erinnerungen platziert.
Die meisten anderen mein Gedächtnis nach und nach verliert.
Die Quelle in Mühlhausen lag in einer feuchten Wiese.
Kaum eine andere wurde fast erdrückt wie diese
von üppigen Beständen der Brunnenkresse,
so dass ich diese Quelle wohl niemals vergesse.
Eigentlich zuviel Licht und zu reichlich Nitrat
sorgten für den mächtigen Wuchs von diesem Wassersalat.
Aus der Tiefe drückt artesisch das Grundwasser ans Licht.
So behält die Quelle ihr typisches Gesicht.
Quellen waren für mich stets Orte des pulsierenden Lebens.
Oft suchte ich ihre krenobionten Bewohner leider vergebens.
Der Mensch hatte der Landschaft zu böse mitgespielt,
so dass mancher Strudelwurm hier nicht mehr schielt.
Es gab aber auch Quellen meist hoch in den Bergen,
da konnten die Quellarten bis heute gut vererben.
Hier fehlte es wohl an nichts, alle Habitate waren gut besiedelt.
Die Tiere glitten auf Schleim, nutzen ihr Sechsergebein
oder waren zeitweise beflügelt.
Für mich waren es Einblicke in ein kleines Paradies.
Doch seit der Klimawandelwind auch in diese abgeschiedenen Täler blies,
weiß ich nicht , was die Zukunft mit diese Quellen macht.
Vor Jahren, als ich lernte, die Quellen zu lieben,
hab ich an diese Perspektive nimmer gedacht.

Erstes Herbstgesicht

Erstes Herbstgesicht

Wieder werden in diesem Jahr Landschaften klimagestresst.
Hitze und Dürre - das Wasser verlässt
uns in kaum noch erreichbare Tiefen.
Wo einst Wassergottheiten dämonisch schliefen,
wird heute tiefstes Grundwasser ans Tageslicht geschafft.
Weiter oben haben Sträucher und Bäume kaum noch die Kraft,
mit den Wurzeln den Lebenssaft  ausreichend zu trinken.
Der ewige Wasservorrat wird in unergründliche Tiefen sinken.
Besonders die Obstbäume im Garten werfen hoch im Sommer viele Blätter ab.
Jeden Morgen besichtige ich das Laubblättermassengrab.
Von vielen Krankheiten gezeichnet kommt schon im August ihr Ende -
für den Boden eine viel zu frühe humusbringende Spende.
Ich nehme den großen Laubrechen immer häufiger zur Hand,
weil mein Auge das Streugut auf dem Rasen als störend empfand.
Im Minutentakt war ein großer Haufen welker Blätter zusammen gekehrt.
Da kam unser Hund Carlos und sah plötzlich seinen Wert.
Er legte sich mitten  ins Laubblättermeer hinein.
Er genoss des sichtlich,  gerade hier jetzt zu sein.
Ihn aufzuscheuchen, war vorerst von keinem Erfolg gekrönt.
Er fühlte sich im Raschelbett wohl ziemlich verwöhnt.
Unser Hund blieb noch ein paar Minuten glücklich im Haufen liegen.
Vom Klimawandel scheint er mir bisher verschont geblieben.

Zehn Jahre zurück

Zehn Jahre zurück

Zwischen den beiden Festen am Jahresende
lenke ich gern meinen Blick in alte Fotobestände.
Erinnerungen werden wieder weich geschmolzen,
die längst dabei waren, erstarrt zu verholzen.
Auch dieses Jahr fand ich Bilder aus dem letzten Monat
von 2010 und der Anblick von frischem Schnee der tat
mir  fast schon weh, denn Wintergefühle die hatt`
ich eigentlich seitdem kaum noch hier gefunden:
Etwas Schnee den gab es meist nur für ein paar Stunden.
Wann wuchs so dickes Teicheis zum Schlittschuhfahren?
Wann konnte man vor Verwehungen kein Auto mehr fahren?
Wann blieb der Frost tief im Boden für mehrere Wochen?
Wann sind wir vor Kälte ins wärmende Bett gekrochen?

Die Jahreszeit Winter wird seit vielen Jahren zum Problem.
Unendliches Herbstwetter gibt es ersatzweise seitdem.
Dass sich Klima wandelt, zeigt schon dieser Zeitverlauf.
Katastrophale Folgen nehmen wir viel zu lange in Kauf.
Eine Ende der Entwicklung, nicht mal spürbare Besserung
sind in erlebbarer Zukunft kaum in Sicht.
Ein Erwärmungsrekord bald den nächsten wieder bricht.
Wie gern hätte ich doch einen zuverlässigen Winter zurück.
Das wäre ein Anfang- die Welt hätte mehr Glück.
Der Schnee von vorgestern ist nur noch auf Bildern zu sehen.
Danach ist allzu viel an Weltzerstörung geschehen:
Was mein junges Auge durfte damals an Vielfalt entdecken,
führt im Alter immer mehr in ein tragisches Erschrecken.

 

 

 

 

 

 

No more Moor?

No more Moor?

Als ich jung war, stand ich hier nah am Wasser.
Jetzt als schon ziemlich alter Verseverfasser
blicke ich auf lauter grüngräserne Flächen,
die mit der Landschaft davor gnadenlos brechen.
Ich stehe mitten im Zwillbrocker Venn-
nur nicht so, wie ich es eigentlich kenn.
Vom Moorbiotop finde ich kaum noch eine Spur.
Alles ist irgendwie einfach eine Wiese nur.
Lachmöwen machten damals noch einen fürchterlichen Krach –
Sie schissen ins moorige Wasser vieltausendfach.
Heute herrscht fast schon eine gespenstische Ruh-
Nur ein paar düstere Rabenkrähen krächzen dazu.
Hilft ein Bagger, der einen tiefen Graben ins Trockenmoor schafft?
Oder fehlt für einen Neubeginn, für weiter moorige Zeiten
jegliche Kraft? Weiterlesen

Blumenkalender

Blumenkalender

Mein neugieriger Kopf steht
seit Wochen täglich
vor jedem Blumenbeet.
Aber auch der Gemüsegarten
mit den vielen Reihensaaten
lässt meine Blicke senken
zu den ersten Keimgeschenken.
Seit Winterling und Schneeglocken
lass ich mich oft nach draußen locken.
Dort läuft geräuschlos eine Uhr,
die zeigt den Kalender der Natur.
Wenn ich heute vor dieser Iris staune,
bekomme ich sichtlich gute Laune.
Daneben wachsen stolz zwei Rosen,
die diese Welt bald herrlich belohnen. Weiterlesen

Immer früher Frühling

Immer früher Frühling

Als der warme Dauerregen mal Pause machte,
die letzte Januarsonne zur Mittagszeit lachte,
da öffneten sich endlich die Winterlingsblüten,
die tagelang verschlossen ihr Geheimnis noch hüteten.
Die Luft war schon seit langem fast unheimlich mild.
Vordrängende Frühlingsblüher bestimmten das Bild.
Schneeglöckchen, Schneeglanz und Krokusse zeigten
erste Blüten. Sie eröffneten winterlos nun den Reigen
der ganzen bunten Frühlingsblumenschar
in einem vom Klima so desorientierten Jahr.
Um prächtige sattgelbe Blüten tanzen gerade beschwingt
einige Zuckmücken, die fröhlich hüpfend zwischen den Lüften sind. Weiterlesen

Januarblüten

Januarblüten

Der Januar
ist längst nicht mehr das,
was er früher mal war.
Freute man sich früher
über Frost und Schnee,
ist das, was ich mitten im Winter seh,
fast für diese Zeit viel zu bunt.
Eine zartlila Lenzrose
öffnet gerade ihren Blütenmund.
Andere aus ihrer Verwandtschaft
stehen ebenfalls voll im Saft.
So treffe ich purpurne, violette Blüten,
die mir einen wunderbaren Anblick bieten. Weiterlesen

Eisige Irritationen

Eisige Irritationen

In Zeiten, wo Klimawandel verstört
der Januar fast den Frost entbehrt.
In diesem Winter fehlt noch ein Tag,
wo die Temperatur ganz im Minus lag.
Für Stunden huscht mal etwas Reif,
macht gerade mal den Blattrand steif.
Heut in der Früh kam ein kalter Moment,
ehe die Sonne in der Ferne brennt.
Da fror vom Nieselregen der Rest
auf wasserdichten Flächen fest.
Wo Feuchtes letztlich übrig blieb,
das Eis nun eine Geschichte schrieb.
Die Motorhaube vom Automobil
zeigt Eisgraffiti ziemlich viel.
Das Teil, das Umwelt strapaziert,
war toll geschmückt, so fein verziert. Weiterlesen

Da war einmal…

Da war einmal…

Da war einmal ein Paradies,
das durch den Menschen Erde hieß.
Vom Meeresgrund zur Bergeshöhe
gab es Getier – sogar Gletscherflöhe.
Wo Boden war -nicht eiseskalt -,
da wuchs schon bald viel Regenwald.
In einer kleinen Ewigkeit
entstand großartig Vielfältigkeit
an Wesen auf diesem Planet,
dass man in Staunen nur vergeht.
Das kleine Stück vom Meeresgrund
erlebte manch ungetrübte Stund.
Schnecken und Muscheln aufgehäuft
zeigen, wie damals Leben läuft.
Millionen Jahre sind sie schon tot.
Doch was sich damals ihnen bot,
war heile Welt – noch menschenlos.
Was dann geschah- ist beispiellos. Weiterlesen

Ohne Foto

Ohne Bild

In vielen Geschichten, Berichten, Gedichten
wollte ich bisher niemals auf Bilder verzichten.
Neben all den geschriebenen Worten
konnte ich auch immer den Blick verorten.
Worte und Gedanken sind – wie gesagt – frei.
Bilder bringen immer Realitäten herbei.
Heute beschreibe Bedrückendes ganz ohne Bild.
Was nicht nur mir verloren ging, die Hauptrolle spielt.
Neulich bei einem Herbstspaziergang traf ich einige Stellen,
wo inzwischen die Besonderheiten fehlen.
Ein kleiner Bach in der Nähe beherbergte Flussmuscheln im Sediment.
Er vertrocknete teilweise, dann ganz. In seinem Sortiment
waren zuvor Köcher-, Stein-, Eintagsfliegen bester Qualität.
Nur noch nach Katastrophenregen Wasser hier steht.
Im nahen Wald hatte ich vor Jahren eine Quelle entdeckt,
in der noch etwas vom ursprünglichen Leben steckt. Weiterlesen