Nur ein Schmuckkästchen?

ElfenbeinNur ein Schmuckkästchen?

Seit gestern ist es in meinen Besitz gekommen.
Ich habe es von einem Trödeltisch frühmorgens mitgenommen
Es war feinzierlich und schmeichelnd gelbweiß.
Beim seinem Kauf wurde mir im Innern ein wenig heiß.
Das kleine Kästchen, was mein Interesse so abrupt fand,
war früher Mal ein Teil von einem Zahn vom Elefant.
Durfte ein überzeugter Artenschützer so etwas kaufen,
das sämtliche Prinzipien wirft über den Haufen?
Das Stück war antik, schien auch wohl richtig alt –
da bleiben Schutzgesetze immer ziemlich kalt.
Wie damals dies Elfenbein den Weg zum Schnitzer fand,
das bleibt wohl für immer im Trüben und unbekannt.
Viele der stattlichen und meist so freundlichen Tiere
über deren Erhalt ich als Biologe des öfteren reflektiere,
sind nur wegen dem Elfenbein schändlich erlegt.
Die Zähne waren so wertvoll: das hat zur Untat erregt.
Elfenbeinschmuck gibt es seit mehreren tausend Jahren
bei Kaisern, Königen, Päpsten und russischen Zaren.
Damit wurde kostbarst geschmückt oder edel verziert .
Es kümmerte kaum wenig, wer sein Leben dafür verliert.
Was hab ich in Museen an Kunstschätzen schon alles gesehen.
elfenbeinerne Reliefe – wunderschöne Kameen.
Schießpulverbehälter wurden mit diesem Bein verschönt.
Auch für manche Schachfigur war der Tierstoff nicht verpönt.
In meinem kleinen Kästchen – sagte mir die Verkäuferin –
war in früheren Zeiten vielleicht eine Prise Opium drin.
Ob das wahr ist, oder ob das nur den Verkauf fördern sollte,
ich weiß es nicht – nur dass ich das Kästchen trotzdem wollte,
das stand nach ein paar Minuten kauftechnisch fest.
Das Schmuckstück fürs erste meine Finger nicht mehr verlässt.
Kann jemand überhaupt ein überzeugter Artenschützer sein
mit einer Trophäe, zwar sehr klein – aber aus totem Elfenbein?
Darf man sich an tollster Schnitzkunst museal ergötzen,
wenn die Gedanken energisch gegen die Großwildtierjagd hetzen?
Das lang zurück liegende abscheuliche Wilderertum
darf das Entsetzen dafür – nach Verjährung wohl ruhen?
Der Samstagmorgen mit dem hübschen Trödelkauf spaltet mich.
Ich wechsele die Fronten in mir mit verschiedenem Ich.
Das Corpus Delicti liegt noch immer in meiner kaufgeilen Hand.
In meinem Kopf da kämpft schlechtes Gewissen gegen klaren Verstand.
Tierisches Unheil transformiert zu einem recht ansehbaren Stück –
ist das Kulturgeschichte oder nur elefantisches Unglück?
Ich habe für dieses Problem keine Antwort zur Hand –
nur das schöne Stück Opiumkästchen, das ich zufällig mir fand.

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